Gießener Allgemeine vom 04.September 1980

Für Gießener ist GSV diesmal nur, ein Geisterteam
TT-BUNDESLIGA DAMEN: Alle Heimspiele im nordhessischen Raum - Kampf gegen den Abstieg - Evelin Ogroske für Gisela Jakob


(rt) Nach einer kurzen Verschnaufpause, in der sich der GSV des Klassenerhalts in der TT-Bundesliga der Damen völlig sicher sein konnte, kommt nun wieder einmal eine Zittersaison auf die Gießenerinnen zu. Denn während fast alle Konkurrenten tief in die Tasche griffen, um im Titelrennen mitzumischen oder wenigstens die Klasse zu sichern, konnten die Gießener Amateure sich aus, finanziellen Gründen nicht an dem Run auf ausländische Stars beteiligen.

So wird der GSV auch allgemein an der Bundesliga-Börse auf dem vorletzten Platz gehandelt, wobei nur noch der SSV Hagen, der ebenfalls nicht an Verstärkungen denken konnte und wollte, schwächer eingestuft wird. Doch man weiß vom Ehrgeiz der GSV-Damen, daß sie sich nicht in dieses vorgeplante Schicksal fügen werden. Und so rechnet sich der heimische Bundesligist auch gegen Bieber, Rinteln und Düsseldorf Chancen auf den einen oder anderen Punktgewinn aus. »Allerdings nur, wenn alles optimal läuft«, schränkt Mannschaftsführerin Gerlinde Glatter ein. Optimal heißt für die Gießenerinnen, daß von den drei Leistungsträgern Gerlinde Glatter, Gertrud Potocnik und Angelika Schreiber niemand ausfällt, auch nicht als sicherer Punktesammler. Evelin Groske, die 14jährige Deutsche Schülerinnen-Meisterin, die für die auf ein Jahr nach Frankreich abgewanderte Gisela Jakob in die Mannschaft kam, will man dagegen nicht unter Erfolgszwang stellen und die Belastung in dieser Aufbau-Saison so gering wie möglich halten. Allerdings kommt die Hersfelder Schülerin in keiner sehr günstigen Situation in die höchste deutsche Spielklasse, die durch die Ausländerinnen die Südkoreanische Ex-Weltmeisterin Lee Ailesa (FTG Frankfurt), die 21. der Weltrangliste Tang Ying (DSC Kaiserberg) aus China, die Schwedin Kristina Nilsson (TTV Rinteln), die mehrfache rumänische Doppelweltmeisterin Maria Alexandru (VSC, Donauworth), Belgiens Nachwuchsstar Barbara Lippens (Post-SV Düsseldorf) und die von Kronshagen nach Bieber gewechselte Engländerin Carole Knight,- dermaßen aufgeputscht erscheint, daß der deutsche Nachwuchs darin keinen Platz mehr, hat. So ist Evelin Ogroske neben Susanne Wenzel (Kronshagen) auch die einzige Jugendliche, die den ungleichen Kampf mit der deutschen, europäischen und Welt-Spitze aufnimmt. Nun trennen die Meisterschaftsanwärter, allen voran den DSC Kaiserberg und die Abstiegskandidaten nicht mehr nur Klassen, sondern fast schon Welten, was dem bundesrepublikanischen Tischtennis, solange die ausländischen Stars nicht auch mit den Deutschen trainieren, sicher nicht guttut.
Von der ganzen Szene wird man im heimischen Raum allerdings nur aus zweiter Hand erfahren können, denn für die Gießener stellt der GSV in dieser Saison kaum mehr als eine Geistermannschaft dar, da alle Heimspiele von nordhessischen Klubs übernommen wurden. Sicher, eine ungewöhnliche Maßnahme, die man aber verstehen muß. Immerhin hat der GSV jahrelang selbst in schicksalsträchtigen Situationen und gegen die renommiertesten Gegner in einer »geisterhaften« Umgebung, das heißt vor fast gähnend leerer Halle, spielen müssen und in Hoffnung auf größer Zuschauerzuspruch seine Heimbegegnungen jahrelanger Dennoch- Treue zu Gießen erst den Vereinen im Sportkreis Gießen angeboten. Vergeblich, so daß ein Ausweichen nach Nordhesen, woher schon seit langem Angebote vorlagen, den Verantwortlichen als letzter Ausweg erscheinen mußte, Für die wenig Getreuen sicher harter Schlag. Bleibt zu hoffen, daß diese Ortsveänderung den »Gießenerinnen« endlich die gewünschte akustische und moralische Publikumsunt zung beschert, die man braucht, um die schwierige Situation im Bundesliga-Abstiegskampf vielleicht doch mit Erfolg meistern zu können.
Die Probe aufs Exempel steigt für der gleich in der ersten Begegnung. Gelingt es nämlich der Glatzer-Truppe, beim TTV Rinteln am Wochenende wenigstens einen Teilerfolg zu erringen, würde die schwachen Hoffnungen erheblichen auftrieb erhalten. Beim TSV Kronshagen, den man am Sonntag gegenübersteht, rechnet man sich dagegen nichts aus, auch wenn die Norddeutschen, durch den Weggang von Carole Knight doch einiges von ihrer Leistungsfähigkeit eingebüßt haben.



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