Gießener Allgemeine vom 30 April 1977

Das Porträt der Woche
Hans Erich Eißer: Spitzenspieler des Tischtennis-Oberligisten Gießener SV



(rt) Nicht nur Außenstehende wundern sich über den TT-Oberligisten GSV: Ende Februar noch auf scheinbar unaufhaltsamer Talfahrt zur Drittkiassigkeit, trotzten die Gießener dem vermeintlichen Schicksal, fügten den bescheidenen 5:21 Punkten fünf Siege hintereinander hinzu und -zogen durch ein schwer erkämpftes 9:7 im direkten Abstiegsduell beim TTC Oggersheim nach einem 1:5-Rückstand den Kopf im letzten Moment doch noch aus der Schlinge. Sicher gibt es für dieses schon fast phänomenale Aufbäumen, von der Gießener Presse bildhaft als "Frühlingserwachen" bezeichnet, mehrere Erklärungen. Kein Zufall ist es dabei sicher, daß ein GSV-Akteur den erstaunlichen Teil zwei seiner Sportkarriere gerade zu Beginn der Rückrunde mit dem Sprung an die Spitze der Mannschaft vorläufig abgeschlossen hatte: Hans Erich Eißer. Nicht nur, weil der 37jährige Gießener Routinier (mit der Leistungszahl plus 12) zum erfolgreichsten Spieler der Saison avancierte, sondern wohl noch mehr, weil es ihm gelang, als Mannschaftsführer die GSV-Sechs echt zusammenzuschweißen und die zeitweise in sanften Winterschlaf verfallenen kämpferischen Qualitäten der Gießener wieder voll zur Entfaltung kommen zu lassen.

"Ich habe immer: an die Stärke der Mannschaft geglaubt, nur vor dem Oggersheimer Spiel bekam auch ich leichte Zweifel", gesteht Hans Erich Eißer und eine gewisse und völlig berechtigte Genugtuung, zum Klassenerhalt einen ausreichenden Beitrag geleistet zu haben, spricht aus seinen Worten. Von dramatisierenden Einschätzungen wie "Garant der Oberliga-Zugehörigkeit" und "führte den 'GSV aus der, Talsohle heraus" ist der am 10. 01. 1940 in Lich geborene, in Hungen aufgewachsene, seit fünf Jahren in Albach ansässige Gießener jedoch weit entfernt. Vor allem sicher auch, weil der 1,88 Meter große, 94 Kilogramm schwere, athletisch gebaute GSVSpieler Teamgeist und die über den Sport hinausgehende Kameradschaft in der Mannschaft über spektakuläre Einzelergebnisse stellt. Die Vermutung, daß Hans Eißer, nach dem Gymnasium besuchte er die. Handelsschule, absolvierte eine Lehre als Großhandelskaufmann und ist seitdem - zehn Jahre bereits besitzt er eine Außendienstvertretung eines Frankfurter Großhändlers - in der Papierbranche tätig, auf sportlichem Gebiet , mehr oder weniger ein Schattendasein fristete, erweist sich jedoch als falsch. 1952 zur TT- Abteilung des TSV 1848 Hungen gestoßen - in dieser Zeit spielte er auch noch Fußball und stand mehrmals in der Kreis- und Bezirksauswahl der Schüler -, stand Hans Eißer bereits mit 14 Jahren in der ersten Herrenmannschaft des TSV, an dessen Aufstieg ein Jahr später in die Bezirksklasse der damalige Hungener maßgeblich beteiligt war. Im gleichen Jahr holte er sich den Bezirksmeistertitel der B-Jugend durch einen Sieg über den späteren Deutschen Jugendmeister Polivka (Weilburg), 1957 drang er bei den Deutschen Meisterschaften in Berlin unter die letzten 16 vor, wurde A-Jugend-Bezirksmeister im Einzel und Doppel und feierte mit einem Turniersieg in Frankfurt vor der gesamten hessischen Spitze (Berger, Hiebsch, Westphal, Russ . . .) seinen größten Jugenderfolg. Sechsmal stand er in der Hessenauswahl gegen Württemberg, Niedersachsen, Westleutschland . . .), von den Einsätzen in der Bezirksauswahl ganz zu schweigen.
Nach seiner Hochzeit und den damit verbundenen Umzug nach Gießen trat der zweifache Familienvater, die Töchter sind inzwichen elf und sechs Jahre alt, 1963 dem GSV bei, dem der Gießener, abgesehen von einem
einjährigen Gastspiel beim TV Lich 1964, bis heute treu blieb. Seitdem verging kaum eine Saison ohne bemerkenswerte Erfolge: zweifacher Kreismeister der Herrenklasse A, Bezirksmeister im Doppel, Turniersiege über bekannte Bundesliga-Spieler wie Klitsch, Erwin Becker . . . und, auch im Doppel an der Seite von Henry Schäfer; 1965 Aufstieg mit dem GSV in die Hessenliga, 1966 Aufstieg in die 2. Liga, 1967 Aufstieg in die Oberlig... Dann jedoch schien die Sportkarriere Hans Eißers eine fallende Tendenz anzunehmen.
Bedingt durch den sehr starken GSV-Nachwuchs und einige Neuzugänge, zog sich Hans Eißer 1970 in die 2, Mannschaft zurück, die er nach vier Jahren aus der Landes- in die Hessenlliga führte. Doch der Schein trog: Anfang 1976 wieder ins Oberliga-Team zurückgekehrt, erlebte der Mitt-Dreißiger schon bald ,einen "zweiten Frühling", der ihn - auch ohne je einen Trainer besessen zu haben schließlich zur neuen Nummer eins machte.
Früher, bereits "Trainingsweltmeister", erklärt sich Hans Eißer dieses echte Phänomen durch eine größere Ausgeglichenheit, das vom beruflichen Erfolg ("Mein Beruf und Tischtennis sind meine Hobbys, die übrige Zeit widme ich meiner Familie") gestärktes Selbstbewußtsein und die damit verbundene Nervenstärke. Und das "Material"? Der auf Rückhand mit Hartbrett, auf der Vorhand mit Antitopbelägen agierende Gießener Abwehrstratege, der zudem den Schläger laufend auf asiatische Art" dreht, glaubt zwar an das Überraschungsmoment, aber nicht daran, daß für den Spieler selbst eine gefühlsmäßige Erleichterung eintritt. "Sicher spielt auch meine Kondition und die Bereitschaft, bei jedem Einsatz das Letzte zu geben (neben der Spielanlage ist mir auch deshalb Eberhard Schöler ein echtes Vorbild) eine wichtige Rolle", bekennt der ein vernünftiges," Leben führende, sich mit wöchentlichem Waldlauf und Gymnastik fithaltende Nichtraucher, der in dieser Analyse aber auch seine Schwächen ("bin technisch nicht vielseitig und im Angriff nicht mehr sicher ge
nug") nicht übersieht. Auch deshalb ist für Hans Eißer, der sich mit ,;ehrgeizig und konsequent, selbstdiszipliniert und kontaktfreudig" sicher richtig einschätzt, ein Liebäugeln mit der Bundesliga ("auch wenn die Spielstärke für das hintere Paarkreuz ausreichen würde") kein Thema. Als sportliche Zukunft wünscht sich der nun schon 25 Jahre Tischtennis betreibende Gießener vielmehr, "noch zehn Jahre im GSV (er bietet für Spitzenkräfte weit und breit die besten Trainingsmöglichkeiten) Oberliga spielen zu können,
wenn mir Zeit, Gesundheit und das bisher großartige Verständnis meiner Frau Mechthild erhalten bleiben".
Die Mannschaft, besser die Gemeinschaft, wird. also weiter im Vordergrund stehen, und nur zu logisch, daß Hans Eißer - als Mitglied des Sportausschusses - sein Scherflein zum organisatorisch Notwendigen im GSV beiträgt. "Der Verein sind wir", ist für ihn dabei die selbstverständliche Grunderkenntnis, "die leider von der Jugend heute nicht immer mitgeträgen wird". Gerade deshalb dürfte Hans Eißer in Zukunft für den GSVnicht nur als (Spitzen-)Spieler, Mannschaftsführer und Organisator, sondern vor allem auch als Vorbild für den eigenen Nachwuchs von besonderem Wert sein.

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