Die Geschichte des Heuchelheimer Para-Trainers Fabian Lenke - .Die erste Frage bringt Fabian Lenke zum Lachen. Die Frage danach, wie ihm der Besuch auf dem Burg-Herzberg-Festival gefallen hat. »Gut«, antwortet der Mann mit dem markanten Bart, »wirklich gut«. Und erklärt: »In diesen Zeiten mit all den Kriegen und Konflikten hat es gut getan, einfach mal zu sehen, wie 10000 Menschen friedlich zusammen sein können, um Musik zu hören und zu feiern. Ich bin zwar gewiss kein Althippie, aber das Festival war toll.«

Friedliches Miteinander, gemeinsame Leidenschaften, Menschen kennenlernen, Grenzen überwinden: All das trifft auch auf die Tätigkeit Fabian Lenkes zu. Seine Tätigkeit als hauptamtlicher Landestrainer für Tischtennis im hessischen Behindertensportverband. Und so liegen vielleicht gar nicht mal so zufällig seine Besuche vom Festival in Burg Herzberg und der Paralympischen Spiele in Paris dicht beieinander. Hier die Kunst, dort der Sport. Hier die Musik, dort das Tischtennis. Hier wie dort aber Menschen, die miteinander verbunden sind.

Und als Lenke sich schließlich seine Cola im Biergarten auf der Wetzlarer Lahninsel geholt hat, entwickelt sich ein Gespräch, das weit über den Start des Trainers mit seinen drei Spielern der TSF Heuchelheim bei den Paralympics hinausgeht. Weit hinaus auch über den puren Sportbereich im Rahmen seiner Tätigkeit mit den körperlich beeinträchtigten Sportlern. Da versteht sich der 49-Jährige nicht nur als Trainer, sondern auch als Begleiter und Berater in schwierigen Lebenslagen. »Ich kann«, sagt er, »Menschen über Jahre hinweg begleiten.«

Doch wie wird aus einem talentierten Tischtennisspieler ein professioneller Trainer für den Para-Bereich? Fabian Lenke stammt aus dem Rheinland und studiert nach seiner Schulzeit auch Sport. Nach dem Examen erhält er einen Halbtagesjob als Sportlehrer an einer Düsseldorfer Grundschule und arbeitet zudem auf Honorarbasis an der dortigen Tischtennis-Schule, wo er auch seine Ehefrau Christine kennenlernt.

Wie so viele Lehrer muss sich Lenke später mit befristeten Anstellungen durchschlagen. Er zieht mit seiner Frau nach Hessen, ist dort unter anderem in Butzbach, Bad Camberg, viele Jahre in Weilmünster zuletzt in Wetzlar und Waldgirmes an Schulen angestellt. Doch 2011 ergibt sich für Lenke ein neuer Arbeitsplatz: Er wird Landestrainer für Behindertensport in Hessen und auch Assistent des Bundestrainers. »Eine tolle Sache«, blickt er zurück, weiß aber zugleich: »Es waren lange Umwege, bis ich eine volle Stelle erhalten habe.« Auf Landesebene bringt der Mann, der in Wetzlar in der Nähe des Doms wohnt, seine große Stärke ein: »Ich kann gut strukturell arbeiten.« Arbeiten zunächst an den Grundlagen. Aus anfangs einer Handvoll Tischtennis-Spieler mit Behinderung, die beim Verband gemeldet sind, werden es mehr und mehr. Heute zählt der Landesverband gut 100 Akteure. Warum? »Viele Sportler wissen gar nicht, dass sie an Behindertenwettkämpfen teilnehmen können. Zudem sind die Voraussetzungen national und international nochmal unterschiedlich. Im Prinzip kann jeder Spieler, der eine eingetragene Behinderung von 20 Prozent hat, an unseren Wettkämpfen teilnehmen«, erklärt Lenke, wie er nach und nach die Gruppe der Spieler vergrößert hat. Dabei betont der Landestrainer, wie wichtig und wie hilfreich einerseits das sportliche Treiben, aber auch die damit einhergehende Einbindung in eine Gruppe für Menschen mit körperlichen Einschränkungen sein kann.

Zug zum Zug trägt Lenke dazu bei, dass in Hessen inzwischen mehrere Vereine Para-Abteilungen gründen. Dass in Heuchelheim der einzige Landesstützpunkt errichtet wird, ist kein Zufall. Natürlich kein Zufall. »Als mit Juliane Wolf eine Spitzenspielerin zum Studium nach Gießen und zum Tischtennis nach Heuchelheim kam, habe ich meine Frau gefragt, ob wir nicht hier einen Stützpunkt errichten wollen. Und Christine hat gleich gesagt, ja, das machen wir«, erklärt Lenke die häuslichen Synergien mit der TT-Abteilungsleiterin der Turn- und Sportfreunde.

Inzwischen verfügt der Verein über ein echtes Spitzenteam nicht nur mit Juliane Wolf, sondern gleich mit mehreren internationalen Assen wie dem ehemaligen Iraner Sayed Amir Hossein Hosseini Pour oder dem Ukrainer Maksyme Nikolenko. Die deutschen Meisterschaften wurden bereits in Heuchelheim ausgetragen. Und da ist Lenke auch ein bisschen stolz drauf, dass sich mit Till Schweiger der bekannte Schauspieler der Gemeinde gemeinsam mit Fußballtrainer-Legende Dragoslav Stepanovic als Werbeträger zur Verfügung stellte.

Fast schon nebenbei geht der Trainer auch als Spieler an die Platte. Für den TV Braunfels und den Gießener SV mischte er in der Oberliga mit. Inzwischen ist er für seine TSF Heuchelheim in der Verbandslig aktiv. Tischtennis an der Platte, Tischtennis neben der Platte, Tischtennis in der eigenen Wohnung. Wird das nicht irgendwann zuviel Tischtennis? »Jaaa«, antwortet Lenke etwas langgezogen und lacht, »ich bin schon ein bisschen Tischtennis-verrückt. Und wenn das meine Frau nicht ebenfalls wäre, würde das alles gar nicht gehen.« Und räumt ein, dass es Momente gibt, an denen er durchaus mal den Kopf über seine Leidenschaft schüttelt. »Als ich von einem Para-Turnier in Belgien, wo ich als Trainer war, direkt zu einem Ligaspiel in den Frankfurter Raum gefahren bin, dachte ich schon, ob ich nicht zu verrückt bin.« Doch bei den TSF bereitet es ihm weiterhin großes Vergnügen, selbst aktiv zu sein. »Da macht es einfach Spaß in der Mannschaft.«

Doch Lenke kennt natürlich auch die Schattenseiten seines Trainerberufs. Nur zu gut. »Wenn ich«, sagt er, »einen Spieler, der an Muskelschwund erkrankt ist, anfangs noch stehend in der Halle sehe und dann ein paar Jahre später nur noch mühsam mit dem Rollstuhl fahren sehe, zehrt das schon an mir.« Krankheiten und körperliche Beeinträchtigungen zählen zu seinem Alltag. Ein Alltag, der gewiss nicht immer leicht ist. Auch wenn Lenke seine Leidenschaft zum Beruf machen durfte. Eine sportliche Leidenschaft, die nun einem Höhepunkt entgegensieht. Denn der Mann aus Wetzlar wird bei den Paralympischen Spielen in Paris als Trainer für Hosseini Pour und das Flüchtlingsteam aktiv sein. »Ja«, freut sich Lenke über seine Premiere auf der olympischen Bühne, »damit ist ein Lebenstraum für mich in Erfüllung gegangen«, und fügt mit einem Schmunzeln hinzu: »Hoffentlich müssen meine Spieler aus Heuchelheim nicht gegeneinander spielen. Dann habe ich ein Problem.«

»Lebenstraum«

Aber auch dieses Problem wird zu lösen sein. Und zudem erhält Lenke in Paris heimische Unterstützung. Während er mit den Spielern im olympischen Dorf beherbergt wird, hat seine Frau Christine mit ein paar anderen TSF-Spielern wie Thomas Richl eine kleine Wohnung in der französischen Hauptstadt für diese Zeit gemietet. Eine Heuchelheimer Tischtennis-WG in Paris. Auch eine schöne Geschichte. Auf das Hippie-Festival folgt nun ein sportliches Festival für den Tischtennis-Enthusiasten Fabian Lenke.


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