Tischtennis befindet sich auf dem absteigenden Ast. Der Sportart laufen die Spieler davon. Im Jahr 1989 verzeichnete der Deutsche Tischtennisbund (DTTB) fast 890.000 Mitglieder, 2022 waren es noch 506.000. Die Gründe für den Niedergang der Sportart sind vielfältig. Einige liegen im gesellschaftlichen Wandel begründet, viele sind aber auch hausgemacht. Diverse Entscheidungen der Funktionäre, die die Sportart in der Summe in den vergangenen Jahrzehnten auf den Kopf gestellt haben, stoßen an der Basis auf wenig Verständnis und haben den Mitgliederschwund nicht gestoppt. Zahlreiche Spieler haben dem Tischtennis nicht zuletzt aufgrund der ständigen Änderungen ohne große Diskussion den Rücken gekehrt Eine Spurensuche: In diversen Tischtennisvereinen liegt das Durchschnittalter der Spieler über 60 Jahre. Nachwuchs ist Mangelware. Frauenmannschaften gibt es kaum noch. Zuschauer sind bei den Wettkampfspielen rar. Während der Corona-Pandemie blieben die meisten Hallen geschlossen. Viele Spieler sahen sich nach sportlichen Alternativen um. Die meisten, die ein neues Betätigungsfeld gefunden haben, werden nicht zurückkehren. In der vergangenen Saison traten so viele Mannschaften zu Punktespielen nicht an wie noch nie. In der Kreisliga maßen sich lediglich sieben Teams. Ist der Tischtennissport ein Auslaufmodell?

Verbandsfunktionäre versuchen seit Jahrzehnten, ihre Sportart zu »modernisieren« mit dem vorrangigen Ziel, die Attraktivität fürs Fernsehen zu erhöhen - mit mäßigem bis gar keinem Erfolg. Gut gemeint ist eben nicht automatisch gut gemacht, manchmal sogar das Gegenteil. Zunächst wurden die Rahmenbedingungen grundlegend verändert: Aus zwei Gewinnsätzen bis 21 Punkte wurden drei Sätze bis 11. Aus einem Langstreckenlauf wurde ein Sprint.

Um den Sport langsamer und damit telegener zu machen, wurde vor 15 Jahren die Größe des Zelluloidballs von 38 Millimeter auf 40 Millimeter erhöht. Das brachte ebenfalls wenig, da gleichzeitig die Entwicklung der Beläge voranschritt. Mehr TV-Übertragungen gab es jedenfalls nicht. Das hat sich bis heute nicht geändert. Zahlreiche Partien der Weltmeisterschaft 2023 wurden live auf Youtube gezeigt. Beim Herren-Finale schalteten sich weltweit rund 23.000 Zuschauer zu - eine verschwindend geringe Quote, die von einem gewissen Desinteresse am Tischtennis zeugt.

2019 musste der Zelluloidball dem Plastikball weichen. Dieser ist wesentlich glatter, stabiler und träger als sein Vorgänger. Begründet wurde der Wechsel unter anderem damit, dass Zelluloid leicht entflammbar ist. Ein durch Tischtennisbälle ausgelöster Brand ist weltweit allerdings nicht bekannt.

Plastikball

Der Plastikball nimmt weniger Rotation an. Das filigrane Agieren, das mit dem Zelluloidball mit Spin möglich war, bleibt auf der Strecke. Ein Paradies für Bolzer, die den Punkt machen, indem sie möglichst fest auf das Bällchen einprügeln und ein gravierender Nachteil für Abwehrspieler. Das zeigt sich auch in der Weltrangliste. Unter den Top 100 sind nur eine Handvoll Defensivkünstler zu finden. Der Fuldaer Ruwen Filus schaffte es einmal unter die besten 40. Das war's aber auch schon. Dabei sind Duelle zwischen Abwehr- und Angriffspieler das, was den Sport für Zuschauer attraktiv macht. 2010 wurde das QTTR-Punktesystem eingeführt, um die individuelle Spielstärke jedes deutschen aktiven Tischtennisspielers zu bewerten. So weit, so gut. Bloß: wozu? Für die Top 100 Spieler mag das interessant sein, aber für den Rest?

In größeren Vereinen wird die Reihenfolge der Spieler alle naselang durcheinandergewirbelt. Oft entscheiden ein paar Punkte darüber, in welcher Mannschaft jemand aufgestellt wird. Wenn befreundete Spieler in einer Truppe zusammen auftreten wollen, scheitert das meist daran, dass einige oder auch nur einer so wenige Punkte hat, dass unter Umständen andere Spieler, die mehr Punkte auf dem Konto haben, einen Sperrvermerk erhalten. Das kann sich kein Verein leisten.

Außerdem gibt es Zeitgenossen, die sich ihre Einsätze sorgfältig aussuchen. Gegen Mannschaften, bei denen sie auf Gegner träfen, gegen die sie höchstwahrscheinlich verlieren, fehlen sie krankheitsbedingt oder verletzt. Von Manipulationen durch absichtlich verlorene Spiele nicht zu reden. Die Regel, dass Spieler unbegrenzt oft in einer höheren Mannschaft ihres Vereins Ersatz spielen dürfen, mag dem Personalschwund Rechnung tragen, öffnet Tricksereien aber Tür und Tor. Im Extremfall führte es bereits zu absurden Konstellationen. In der Oberliga gab es in der vergangenen Saison beispielsweise ein Team, das nur auf dem Papier bestand - offenbar damit die unteren Mannschaften stärker aufgestellt werden konnten. Um das zu ermöglichen spielten Akteure in mehreren Teams durch.

Auf den Mitgliederschwund reagiert der Verband nun mit der Reduzierung der Mannschaftsstärke von sechs auf vier Spieler. In den Klassen ab Oberliga wurde das bereits in der vorigen Saison praktiziert, nächste Runde gilt es auch für die Verbands- und Hessenliga zu. Die Bezirks- und Kreisebene folgen ein Jahr später. Diese Regelung ist nicht unumstritten. Am Negativtrend bei den Mitgliederzahlen ändert die Reduzierung der Mannschaftsstärke jedenfalls nichts. Man kauft sich damit nur Zeit.


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