Eine bemerkenswerte Initiave versucht, dem Tischtennis neuen Schub zu geben - Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Im Jahr 1989 verzeichnete der Deutsche Tischtennisbund (DTTB) fast 890.000 Mitglieder, 2022 waren es noch 506.000. Tischtennis befindet sich auf dem absteigenden Ast. Doch im Kreis Gießen zeichnet sich ein Hoffnungsschimmer ab. Acht engagierte Tischtennis-Fans wollen der bedrohlichen Entwicklung nicht tatenlos zusehen. Sie haben sich in der vom Hessischen Tischtennisverband (HTTV) initiiert und geförderten Arbeitsgruppe Aufbruch zusammengetan und binnen Jahresfrist bemerkenswerte Erfolge erzielt.

Celine Kreiling (TTC Wißmar), Karl-Heinz Fink (VfR Lindenstruth), Jan Müller (FSV Lumda), Rainer Jöckel (TSG Wieseck), Dennis Grötsch, Lennart Schwarz (beide TSV Allendorf/Lda.), Denis Paul und Andre Malsch (beide TV Großen-Linden) bilden den harten Kern der Gruppe, zu dem gerne weitere Interessenten stoßen können.

Sie gingen systematisch vor und ermittelten Anfang vorigen Jahres erst einmal den Ist-Zustand. Und der war deprimierend. Von den 54 Tischtennisvereinen im Kreis Gießen stellten 36 - also zwei Drittel - keine einzige Jugendmannschaft. 8 Vereine bieten je eine Mannschaft auf, 5 Vereine 2, 3 Vereine 3 und nur 2 Vereine 4 Teams auf. Daher konzentrierten sich die Aufbrecher zunächst auf die Nachwuchsgewinnung. Dazu fingen sie praktisch bei Null an.

Interessanterweise sind in dem Team, das sich selbst organisiert und ehrenamtlich arbeitet, bis auf Kreisschülerwart Müller, nicht die üblichen Verdächtigen - die Funktionäre auf Kreisebene - vertreten. Und das Durchschnittsalter ist vergleichsweise niedrig, Rainer Jöckel der einzige Rentner. Das stellt auch sicher, dass das Morgen nicht mit den Rezepten von gestern angegangen wird.

Wenn sie über den Aufbruch reden, sind Andre Malsch und Jan Müller kaum zu stoppen. Die Worte sprudeln nur so aus ihnen hervor. Das Konzept beschreiben sie so: »Der Strukturmanager des HTTV hat uns Möglichkeiten aufgezeigt. Aus diesem bunten Strauß haben wir welche ausgewählt, die wir weitgehend autark verfolgen. Die Schulen stehen dabei besonders im Fokus.« Malsch weist darauf hin, dass die Gruppe nicht die Arbeit der Vereine macht. »Wir geben nur Anstöße und versuchen zu motivieren, stehen beratend zur Seite«, sagt er. »Außer dem HTTV finanziert auch der Kreis Aktionen mit, damit die ausführenden Vereine kein Minus machen«, betont Müller.

Angespornt durch die schnellen Erfolge blicken die Acht zuversichtlich nach vorn. Aktuell gibt es kein Kreisleistungszentrum. »Das soll sich in absehbarer Zeit ändern«, kündigt Müller an. »Und im nächsten Schritt wird es um den Erwachsenenbereich gehen.« Am 15. Juni 2022 erfolgte der offizielle Aufbruch-Start mit einer Infoveranstaltung beim SV Münster im Zuge des Kreistags, um möglichst viele Vereine zu erreichen. Am Ende wurden die Teilnehmer gebeten, aufzuführen, wo der Schuh am stärksten drückt. Das Ergebnis: Aufbau und Verbesserung der Nachwuchsarbeit stand an erster Stelle, gefolgt von der Kooperation mit anderen Vereinen, der Vereinsfinanzierung und Fördermittel, dem Aufzeigen von Kooperationsmöglichkeiten mit Schulen und Kindergärten sowie der Trainerausbildung. In Workshops wurden und werden die Themen vertieft.

Darauf, dass sich das Aufbruch-Team auf dem richtigen Weg befindet, deutete schon vor dem Kick-Off ein Rundlaufturnier beim TV-Großen-Linden am 1. April an, an dem 32 Kinder teilnahmen. Ein Turnier der anderen Art in Lumda Mitte August bestätigte den Eindruck. Vier Haushalte hatten ihre Garagen und Höfe zu Spielorten gemacht. Gespielt wurde nicht mit gewöhnlichen Tischtennisschlägern, sondern mit zur Verfügung gestellten Holz-, Mini-, Loch- und Plastikschlägern, einmal sogar mit einer Bratpfanne. Eine Mordsgaudi. 16 Kinder machten mit, verteilt über den ganzen Ort. »Leistung ist im ersten Schritt nicht wichtig«, sagt Jan Müller. »Die Kinder sollen Spaß haben, damit sie wiederkommen.«

»Beim TV Großen-Linden funktioniert das wunderbar«, erzählt Malsch. Der Verein hat in den vergangenen Jahrzehnten Tausende Euro in die Nachwuchsförderung gesteckt. Ein Spieler für eine der drei ersten Mannschaften kam dabei nicht heraus. Meist verloren sich drei oder vier Kinder im Training. Aktuell füllen dagegen regelmäßig mehr als ein Dutzend Kinder die Halle mit Leben, überwiegend Erst- bis Drittklässler aus der benachbarten Burgschule. Der Verein stellt je Mannschaften in jeder der drei Altersklassen U19, U15 und U13. Dieser Aufwärtstrend ist auch kreisweit zu beobachten. Die U13-Klasse wurde neu gegründet und startet mit sieben Teams. Eine schöne Bestätigung für die Arbeit der Aufbruch-Gruppe.

Den Startschuss für das zunächst auf drei Jahre befristete Projekt gab der HTTV im November 2021. Die hessischen Kreise konnten sich für die Teilnahme bewerben. Von den neun Bewerbern erhielten sechs den Zuschlag. Betreut werden sie von vier Strukturmanagern, die der Verband bezahlt. Das jährliche Budget beträgt rund 50.000 Euro, informiert Koordinator Christian Löffler.

»In den Aufbruch-Kreisen passiert erkennbar mehr als in den anderen Kreisen«, zieht er eine positive Zwischenbilanz. Nach seiner Ansicht ist der Tischtennissport nach wie vor attraktiv. Allerdings sei das ehrenamtliche Engagement ein Manko. Es fehle an Trainern und Machern in den Vereinen.

Die Frage, warum der Verband erst jetzt die Initiative ergreift - schließlich hält der Mitgliederschwund seit Jahrzehnten an - nennt Löffler »eine gute Frage«. Nach einigem Zögern antwortet er: »Während der Corona-Pandemie herrschte überall Stillstand. Da hatten wir viel Zeit, uns Gedanken zu machen.«


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