Wenn die Tischtennismannschaften aus dem Gießener Stadtgebiet zu Punktspielen in die entlegensten Orte reisen müssen, kommt selten Begeisterung auf. Die Fahrt nach Ruppertsburg bildet da die große Ausnahme. Wer einmal ein Auswärtsspiel im ortsansässigen Dorfgemeinschaftshaus erlebt hat, kommt - sofern er gut verlieren kann - immer wieder gern in die 900-Einwohner-Gemeinde am Rande des Vogelsbergs zurück. Neben netten Konversationen und gut gekühltem Bier ist die Ruppertsburger Rindswurst legendär. "Uns ist einfach sehr wichtig, dass sich die Gäste wohlfühlen", sagt Michael Hahn, einer der Spitzenspieler der ersten Mannschaft. Aber: Vorsicht Falle! So lecker die Würste auch aussehen, zukünftige Gäste des VfB sollten sich erst nach dem Spiel bedienen. Nur die wenigsten Spieler können nach dem Verzerr einer so deftigen Wurst noch gute Leistungen abliefern.
Die Ruppertsburger lieben das Tischtennis. Ob in der 2. Kreisklasse oder in der Bezirksklasse. Der treuen Anhängerschaft ist es egal. Gut gelaunte, faire Zuschauer findet man immer. "Fast alle unsere Spieler sind heimisch verwurzelt", betont Hahn voller Stolz.
Seit dem direkten Wiederaufstieg in die Bezirksklasse im Jahr 2013 mischt die erste Mannschaft des VfB in der Bezirksklasse 2 kräftig mit. Nachdem die VfBler in der vergangenen Saison mit 2:10 in die Saison gestartet waren, surfte der Aufsteiger bis zum vorletzten Spieltag auf einer Welle des Erfolgs. Dass es am Ende nicht zum Aufstieg reichte, nahmen die Ruppertsburger sportlich. Motiviert ging das Team um Daniel Kozy, Michael Hahn, Patrick Strack, Alexander Kozy, Daniel Balser und Julian Vogeltanz in die Saisonvorbereitung, damit man in diesem Jahr besser aus den Startlöchern kommt. Nach fünf Spieltagen kann bilanziert werden, dass die Ruppertsburger nahtlos da weitergemacht haben, wo sie in der vergangenen Saison aufgehört haben. Mit einer 9:1-Bilanz thront das Team der Kozy-Brüder an der Tabellenspitze. Insbesondere das 8:8-Unentschieden gegen den TV Grebenau war eine Art "Reifeprüfung", die die VfBler mit Bravour meisterten.
In diesem Jahr hat sich ein Ruppertsburger in den Vordergrund gespielt, mit dem noch vor einem Jahr die wenigsten Kenner des lokalen Tischtennis gerechnet hätten: Alexander Kozy, der jüngere Kozy-Bruder, hat sich mit einer 10:0-Bilanz an die Spitze des mittleren Paarkreuz gesetzt. Am 10. Oktober sprengte das Eigengewächs erstmals die magische 1600er-TTR-Grenze, und am vergangenen Wochenende triumphierte er bei der Ruppertsburger Vereinsmeisterschaft. Damit hat sich der in diesen Tagen den 25. Geburtstag feiernde Kozy selbst ein frühzeitiges Geschenk gemacht.
Kozy galt schon früh als talentierter Fußballer und Tischtennisspieler. Probleme im Knie sorgten jedoch für ein schnelles Fußball-Karriereende. Dafür konnte er sich voll auf den Tischtennissport konzentrieren. Er schaffte nach der Zeit als Jugendspieler den direkten Sprung ins erste VfB-Team. Dort etablierte er sich von Beginn an als Stammspieler. Jedoch gab sein Körper keine Ruhe. Was mit Schmerzen im Rücken begann, entwickelte sich zu einem Bandscheibenvorfall. Die daraus resultierenden körperlichen Folgen zwangen Kozy stets zum vorsichtigen Agieren. Nicht mehr der Sieg stand im Vordergrund, vielmehr wünschte er sich, schmerzfrei die Spiele zu überstehen. Gerüchteweise hörte man schon in der Gießener Tischtennisszene, dass der jüngere Kozy-Bruder den Spaß am 40mm-Ball verloren hätte.
Im vergangenen Jahr kam dann die Wende in Kozys Tischtennis-Laufbahn. Diese Formulierung trifft es jedoch nicht wirklich. Die Wende kam nicht. Kozy erzwang die Wende. Er profitierte dabei von einem Wesenszug, der ihn von vielen anderen unterscheidet. Er wartete nicht darauf, dass sich die körperlichen Beschwerden von allein verabschieden. Er nahm sein Schicksal aktiv in die Hand.
Sein Glück fand er bei den Calisthenics Wetzlar. Auch, wenn der Name dies vermuten lässt - es handelt sich hierbei nicht um eine Sekte oder Ähnliches. Calisthenics sind ohne Gewichte arbeitende Kraftsportler. Die rund 70 Teilnehmer treffen sich jede Woche auf Schulhöfen und Spielplätzen und trainieren ihre Muskeln auf extrem schonende Art und Weise. Kozy gelang es dadurch, seine Rückenmuskulatur zu stabilisieren. "Ich bin seit diesem März jeden Sonntag dabei. Wir trainieren dann mit dem eigenen Körpergewicht. Klimmzüge und Liegestütze gehören auch zum Standardrepertoire. Wir trainieren dort sehr systematisch. Es gibt drei bis vier Trainer, die extra dafür geschult worden sind.", erklärt Kozy. Allgemein kann man sagen, dass der junge Ruppertsburger seinen Körper vor den tief herunterziehenden Schmerzen befreit hat und wieder Herr über seinen eigenen Körper wurde.
Seit diesem Sommer hat Alexander Kozys ein Fitnessniveau erreicht, das sich zwangsläufig auf sein Tischtennisspiel auswirken musste. Völlig befreit trainierte Kozy wieder längst vergessene Bälle. Des Weiteren entwickelte er einen Trainingsfleiß, der seines Gleichen sucht. Was dann folgte, war eine Eigendynamik, die Kozy zu nutzen wusste. Der Trainingsfleiß bescherte ihm eine nie dagewesene Sicherheit, die ein noch selbstbewussteres Auftreten an der Platte zur Folge hatte.
Natürlich wachsen die Bäume nicht in den Himmel. Aber Einschätzungen bezüglich Kozys Leistungszenits liegen vorerst im rein spekulativen Bereich. "Früher oder später wird er ins vordere Paarkreuz aufrücken", ist sich Hahn sicher. Wenn man Alexander Kozy fragt, welches Ziel er als nächstes verfolgt, dann wird aus dem Shootingstar der diesjährigen Bezirksklasse 2 ein Spieler, dem die Mannschaft sehr wichtig ist. "Wir wollen in die Bezirksliga aufsteigen! Außerdem möchte ich die Gelegenheit nutzen, um mich bei meinem Bruder und Daniel und der ganzen Mannschaft für die tolle Unterstützung bedanken.", so Kozy. Wenn er weiter so spielt, wird es für die anderen Mannschaften sehr schwierig, die Ruppertsburger aufzuhalten.